Mittwoch, 21. November 2012

Post off-season depression.

Wer Ausdauersport betreibt kennt die Leere nach dem Wettkampf, egal ob Ironman, Marathon oder sonstige Ultra-Events. Das Ziel, auf das man wochen- oder gar monatelang hingearbeitet hatte, ist erreicht und von einer Sekunde auf die andere schwebt man ziel- und orientierungslos im Kosmos.

Weil wir Ausdauersportler aber sowohl mit dem schwebenden Zustand (Ausnahme: der Flow im Wettkampf) als auch mit der Ziel- und Orientierungslosigkeit hoffnungslos überfordert sind, beenden wir all dies in der Regel entweder mit einer Anmeldung für eine neue Herausforderung oder mit zu kurzen Erholungsphasen ... oder mit kurzfristigen Panikteilnahmen an sich in Hülle und Fülle anbietenden ausserplanmässigen Wettkämpfen.

Gerade in der Triathlonszene sind die dutzenden Herbstläufe äusserst beliebt. Da rennen sie dann wie die wahnsinnigen um Seen, durch Altstädte oder sogar die Berge hinauf. Bei Kälte, Nässe, Schnee oder Dunkelheit. Das nennt man dann "Arbeiten am Laufdefizit". Über Sinn oder Unsinn möchte ich mich aber hier nicht aufhalten - schliesslich wurde ich ja in der Vergangenheit auch oft an solchen Anlässen gesichtet.

Meine heutigen Ausführungen drehen sich um die post off-season depression, welche sich gerade wie der zähe Herbstnebel über mich gelegt hat und sich wohl die nächsten Tage auch kaum auflösen wird.

Meine off-season dauerte dieses Mal genau fünf Wochen. In den vergangenen zwei Jahren waren es jeweils nur zwei, vor allem auch darum, weil ich noch späte Ironmans bestritt (Arizona und Cozumel). Und da wollte ich zu Weihnachten hin schon wieder einigermassen fit sein, damit ich die Feiertage gut zu Trainingszwecken missbrauchen konnte.

Während diesen fünf Wochen bewegte ich mich hin und wieder etwas. Will heissen: 30 Minuten locker bädelen, 40 Minuten jöggelen oder ein paar Kilometer auf dem Velo. Aber auch viele Tage mit no sports! In dieser Zeit fiel auch die Entscheidung, wieder mit einem Coach zusammen zu arbeiten: Kristian Manietta von TriSpecific war erste Wahl und er nahm mich erfreulicherweise in sein Programm persönlich betreuter Athleten auf. Selbstverständlich wohnt er nicht gleich um die Ecke, etwas weiter weg, in Australien. Wenn schon, denn schon.

So erhielt ich pünktlich auf meinen Trainingsstart am letzten Montag meinen ersten Plan, ca. 9:30 Std. swim, bike, run, 2 x Rumpfkraft und 4-5 Std. Wandern am Sonntag. Selbstverständlich ging mir bei Durchsicht des Planes der eingebrannte Standardgedanke durch den Kopf: ganz schön wenig.

Heute Mittwoch bin ich wieder einmal geläutert, etwas ernüchtert und vielleicht auch etwas depressiv. Die Erinnerung an das Gefühl der Unbesiegbarkeit während den Tagen auf Hawaii ist noch zu lebendig. Alle Systeme auf go, die Form im oberen drittel der Messskala, Beine und Arme stark und bereit Kilometer zu fressen.

Fünf Einheiten sind absolviert und es gibt wohl kaum eine Stelle in meinem Körper, die nicht schmerzt. Besonderen Schaden angerichtet hat einmal mehr das Kraft- und Rumpfprogramm. Dabei habe ich nicht eine Hantel angefasst und lediglich mit dem Körpergewicht und teilweise mit dem Physioball gearbeitet. Beim Schwimmen fallen mir die Arme ab, bevor der imaginäre Wendepunkt auf der Ironmanstrecke erreicht ist. Und beim Laufen scheinen die Füsse in Wanderschuhen zu stecken und nicht in den leichten, schnellen Tretern.

Aber Hilfe naht: das Langzeitgedächtnis liefert prompt Informationen aus der Vergangenheit, welche mit dem eben Erlebten absolut kongruent sind. Und so macht sich die Erkenntnis breit, dass es jedes Jahr dasselbe ist mit dem Trainingsanfang. Weit wichtiger jedoch ist die Information, dass sich die post off-season depression zusammen mit allen Begleiterscheinungen in der Regel bereits nach einer Woche wieder verabschiedet. Gott sei Dank!

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