Dienstag, 17. Juli 2012

IronMadness Switzerland: Ironschnecke.



Ich wollte wie ein Ironshark zubeissen und bin dann wie eine Ironschnecke über die Laufstrecke gekrochen - nur die Schleimspur hat gefehlt.

Zugegeben, das klingt wie eine ganz herbe Enttäuschung, schon ein wenig gekennzeichnet von der Post Ironman Depression (aka PID). Keine Bange, dem ist nicht so. Vielmehr hat mir dieses Faszinosum (Worterfinder: Faris al Sultan) Ironman wieder einmal ein Lektion in Sachen Herausforderung, mentaler Stärke und Demut erteilt. Doch nun erst einmal alles der Reihe nach.

Ich habe es wieder geschafft: Am Sonntag Morgen um 02:58 Uhr bin ich aufgewacht, genau zwei Minuten bevor der Wecker los ging. Nach meinen Schlaforgien in den Nächten zuvor war ich voll ausgeruht und sofort hellwach. Das Frühstück ging ohne Problem hinunter und schon wenige Minuten später kündigte sich das an, worauf wir Ironman alle ganz sehnlich warten, weil wir es zu hause erledigen wollen und nicht in der Wechselzone.

Um 04:45 Uhr machte ich mich dann auf nach Zürich, wo mir mein Marktgschpusi Jeannine dankenswerter weise ihren Parkplatz zur Verfügung stellte. Linsen rein und ab in Richtung Wechselzone. Es tröpfelte leicht, der Wind war nicht mehr so stark wie am Samstag. So weit, so gut.

Die Wechselzone in Zürich war auch dieses Jahr ein Ärgernis. Viel zu eng, aber man geht ja freundschaftlich mit seinen Nachbarn um. Kaum angekommen, treffe ich auch schon Andrea (aka Queen of Clearwater, jetzt auch eine Ironwoman!!). Pumpen, einrichten, überprüfen, schwatzen, wieder überprüfen, noch einmal überprüfen, und noch einmal ....

Die Zeit verflog und schon stand ich, nach dem finalen Angstbisi, beim Schwimmstart. Sue (aka The cutest Ass on a Bike), Evelyn, Brigitte, Barbara, Sandro und Peter wünschten mir mir Glück, aber irgendwie war ich schon im Tunnel. Dann gings Schlag auf Schlag. Die Pros und dann schon die Sirene - los gings!

Nach ca. 150 Metern hatte ich mich frei geschwommen und auch schon Wasser in der Brille. Aber nach anfänglichem Chnorzen fand ich dann nach der ersten Boje meinen Rhythmus und konnte auch easy rund fünf Mal meine Brille leeren. Die Wellen waren nicht allzu schlimm, lediglich im Seiten und Gegenwind spürte ich, dass ich härter als sonst arbeiten musst. Leider verpasste ich eine grössere Gruppe und schwamm alleine rund 20 Meter hinter dieser her. Aber der Aufwand um aufzuschliessen war mir in Anbetracht der paar Sekunden Zeitgewinn zu gross.

Als ich aus dem Wasser stieg, kündige mich der Speaker als Führenden der M55 an, "with a blazing sub-60"! Gut, dachte ich, unter einer Stunde im rauhen Wasser, das ist schon einmal ganz ordentlich.

Auf dem Velo fand ich kurz nach dem Bellevue meine Beine und konnte gut Druck machen. Mein Tacho streikte, aber der Umstand, dass ich 54 x 12 in Schwung halten konnte, zeigte mir, dass ich flott unterwegs war. Nach ein paar Kilometern bekam ich Gesellschaft von hinten, aber ich liess sie fahren. Dann bildete sich aber trotzdem ein Minigrüppchen, das leider sehr nervös war - immer wieder Überholvorgänge, die abgebrochen wurden, bevor der Fahrer an der Spitze war. Handörgeln war angesagt.

Ich war ja von 2010 vorgewarnt und versuchte, so gut es ging, reglementskonform zu fahren. Dann, nach 17 km taucht neben mir ein Marshall auf und zeigt mir die schwarze Karte. Dazu werde ich morgen einen offenen Brief an die BK Sportpromotion und Ironman Europe publizieren. Heute nur so viel: Ich fragte ihn fünf Mal, ob diese eine Ermahnung sei, weil ich mir keiner Schuld bewusst war. Nein, es war eine Schwarze - 6 Minuten Zwangspause!

Bleib ruhig und fahr nicht los wie ein Irrer, sagte ich mir. Bloss, ich hatte wirklich gute Beine und so steigerte ich stetig den Druck auf die Pedalen - umso mehr, als ich anfing, einen nach dem anderen wieder einzusammeln. In den Steigungen hielt ich mich zurück, aber sonst pushte ich sehr, sehr hart. Und das Wetter - war mir egal, ich konnte ja eh nichts ändern.

Nachdem mich Katja und Freddie bei der erste Passage auf dem Heartbreak Hill mit neuem Treibstoff versorgt hatten, machte ich weiter Dampf. Aber ich spürte, dass die Verhältnisse mehr Energie kosteten, als mir lieb war. Und so hatte ich den Eindruck, dass meine rund 2'500 Kalorien fürs Velo an diesem Tag knapp bemessen waren.

Nach rund 160 km im Seefeld eine Schrecksekunde. Ich pushte so hart, dass ich in beiden Oberschenkeln Krämpfe hatte. So musste ich dann definitiv etwas Druck herausnehmen und konnte die Krämpfe so wieder los werden.

In T2 dann die Bestätigung: Die ersten Vier in der M55, Vincent, Detlef, Aldo und ich waren fast gleichauf. Ich war felsenfest davon überzeugt: Ich werde sie totlaufen!! Wie man sich doch täuschen kann, denn nun sollte ich die brutalen Unplanbarkeiten des Ironman gleich in Reihe erleben.

Ich lief los und fand sofort meinen angestrebten Rhythmus. Und genialerweise konnte ich Aldo und Detlef gleich überholen und distanzieren. Wie mein Garmin mir dann gestern bestätigte, pendelte ich mich bei 4:45 Min./km ein und es fühlte sich perfekt an. Ausser mein linker Fuss: Jeder Schritt schmerzte, ein brennender Stich unter der Fusssohle. Hatte ich womöglich eine Falte in der Socke? Erst aber musste ich ein dringendes Bedürfnis erledigen - die Blase drückte. Normal, bei allen meinen bisherigen Ironma war das auch so.

Dann, bei km 5, musste ich das mit der Socke klären. Ich setzte mich auf eine Parkbank und nun sollte es sich rächen, dass ich mit Schnürsenkeln lief. Ich musste aufbinden, bevor ich den Schuh abziehen konnte - bloss, um herauszufinden, dass meine Socke perfekt am Fuss lag. Also wieder rein in den Schuh, binden und weiter. Der Schmerz blieb, aber ich konnte ihn ausblenden

Anfang der 2. Laufrunde begann mein Magen zu rebellieren. Ich musste aufs Klo. Noch nie musste ich aufs Klo, warum heute?, schoss es mir durch den Kopf. Immerhin war mir danach wieder etwas besser und ich konnte weiter ordentlich laufen.

Dann, ohne Vorankündigung, bei km 16 wars aus mit dem Flow und was kam war der Blow. Trotz regelmässiger und planmässiger Verpflegung: Flasche leer! Und nun begann ich zu kriechen wie eine Schnecke. Da war es auch egal, dass ich in der 3. Runde noch einmal aufs Toi-Toi musst.

 

Da waren sie dann wieder, diese 6 Min./km, die ich nie mehr laufen wollte. Und es schmerzte - in der Seele und in den Beinen. Aufgeben? Nie! Marschieren? Bist du deppert! Viele Menschen haben mich in den folgenden Stunden schamlos angelogen. Sieht gut aus, haben sie mir zugerufen. Danke, ich wusste, dass es nicht stimmt, aber es hat geholfen. DNF is not an option!

Nach 10:33 Stunden war es dann endlich vorbei. Platz 4 - nicht eine Hoffnung (oder besser Träumchen) hatte sich erfüllt. Das ist Ironman - you never know! Auch in der Niederlage ist man ein Sieger - wo gibt es so etwas sonst noch? Das macht diesen Sport so grossartig - darum liebe ich es jedes Mal, egal ob ich einen perfekten Tag hatte oder viele Hindernisse überwinden musste.

Vielen Dank allen, die an mich geglaubt haben und mich so toll unterstützten. You guys rock!

Und bei der Siegerehrung durfte ich den Sieger der M75 kennenlernen: Georg von Schrader - 14:20:15 Std. - Inspiration pur!! Mein Highlight des Wochenendes!


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