Montag, 29. Juli 2013

Finish time .... scheiss drauf!

Die Schweiz scheint im 2013 der weltweite Trendsetter bezüglich Wetterextreme bei Ironman-Veranstaltungen zu sein. Erinnern wir uns: Beim IM 70.3 Switzerland musste erst das Schwimmen wegen fast arktischen Wassertemperaturen im Obersee annulliert und durch einen Lauf ersetzt werden. Dann ergoss sich am Renntag just über der Region der einzige Regenschauer Schweizweit und brachte das Fass zum Überlaufen ... Rennabbruch wegen eines Hangrutsches. Dass damals niemand zu Schaden gekommen ist, grenzt an ein Wunder.

Nun, nur wenige Wochen später ein komplett anderes Bild. Die Schweiz schien am Wochenende regelrecht zu kochen. Erst wurde bereits am Samstag entschieden, dass am Sonntag ohne Neo geschwommen werden musste ... bei fast 26° Wassertemperatur ein einfache zu fällender, regelkonformer Entscheid zur Sicherheit der Athleten.

Dann stieg das Thermometer am Samstag bis auf 36° und die Luftfeuchte schien stündlich zu zunehmen. Als ich um ca. 16.30 Uhr auf der Landiwiese eintraf war es schlicht und einfach unerträglich. Und bei dieser Hitze mussten alle 2500 teilnehmenden Athleten ihr Velo einchecken. Doch bevor sie das tun konnten, standen sie erst sehr lange an ... die Kolonne schien schier endlos.

Das alles raubte schon einmal viel Energie. Und die Aussichten für den Sonntag waren ähnlich Angst einflössend: vielleicht nicht ganz so heiss, aber dafür drückender. Und genau so war es dann auch.

Als ich kurz vor 8 Uhr beim Ausgang aus der Wechselzone ankam, stürmten die schnellsten Schwimmer auf die Radstrecke. Und anstatt in grossen Pulks loszufahren kamen sie einzeln und verstreut an und schwangen sich mehr oder weniger Elegant aufs Rad. Viele waren gleich um zig Minuten langsamer als im Neo. Dazu kam ein wesentlich erhöhter Energieaufwand und, so paradox es klingen mag, ein grosser Energieverlust, weil das Wasser immer noch rund 11° unter der Körpertemperatur lag. Für den Neo wars zu warm, ohne Neo kühlte der Körper aber schon etwas aus.

Prompt wurde eher langsam Rad gefahren. Das Feld mehr in die Länge gezogen als sonst, weniger Windschattenfahren und schon bald die schnell steigenden Temperaturen forderten ihren Tribut. Am Heartbreak Hill zeigte es sich bereits nach einer Runde, dass jeder viel mehr investieren musste, als ihm wohl lieb war. Einige schwitzten schon so stark, dass es wenig Gutes vermuten liess. Und viele hatten wohl auch keinen Plan, wie mit dieser Hitze umzugehen.

Auf Hawaii gibt es alle 10 Meilen eine Aidstation. So kann man sich auf dem Velo regelmässig herunterkühlen. In Zürich gabs die üblichen Stationen und so war es schwierig, kühl zu bleiben. Und wer die wenigen Möglichkeiten nicht konsequent nutzte - auch auf Kosten von einigen Sekunden Fahrzeit - der wurde spätestens beim abschliessenden Marathon brutal bestraft.

Spätestens nach T2 war wohl den meisten klar, dass ihr persönlicher Fahrplan kaum mehr umsetzbar war. Und den meisten wurde es nach wenigen Schritten ebenso klar, dass dies wohl einer der längsten Marathons werden würde, die sie je bestritten haben. Es war schlichtweg brutal. Die Luft schien zu stehen. Ich konnte gut nachvollziehen, wie "klebrig" sich das Laufen angefühlt hat. Und so war den meisten Athleten der Schmerz bei jedem Schritt ins Gesicht geschrieben.

Ganz vielen Athleten war aber auch die Enttäuschung anzusehen. Die Enttäuschung darüber, an diesem aussergwöhnlichen Tag nicht das abzuliefern, was sie sich vorgenommen hatten. Allen diesen Athleten möchte ich sagen: Finish time ... scheiss drauf!

Ironman ist und bleibt eine ultimative Herausforderung für den Körper und den Geist. Besonders dann, wenn eigentlich gar nichts nach Plan geht. Dann geht es um den wahren Wert in diesem Sport: finishen!! Die Ziellinie überqueren um jeden Preis - ausser der Gefährdung der eigenen Gesundheit. Alle Widerwärtigkeiten zum Trotz. Entgegen jedem "logischen" Gedanken, den Bettel hinzuschmeissen.

Seid stolz auf eure Leistung!! Ihr Finisher habt an einem denkwürdigen Tag eine denkwürdige Leistung erbracht, die meine ganze Bewunderung verdient. Dieses Rennen hat euch stärker gemacht, weil ihr nicht daran zerbrochen seid. Und es wird ein ganz wichtiges Puzzleteil sein, wenn ihr bei einem eurer nächsten Ironmans eben diese neue Bestzeit auf den Asphalt brennen werdet, die in Zürich einfach nicht möglich war.

Nehmt alle die Gratulationen eurer Freunde und Lieben an, die damit ihre Bewunderung für eure Leistung zum Ausruck bringen. Es gibt keinen Grund, enttäuscht zu sein - aber tausend Gründe, Stolz zu sein!

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