Mittwoch, 8. Oktober 2014

Über das schöne Leben im falschen Film.

Seit dem 1. Oktober komme ich mir ein bisschen vor wie im falschen Film. Das war der Tag, an dem ich ursprünglich die Reise nach Kona antreten wollte. Ich wäre dann spät Abends lokaler Zeit gelandet, nach rund 30 Stunden ermüdender Reise erschöpft ins fremde Bett gesunken, um nach kurzem Schlaf (Jetlag lässt grüssen) aufzustehen und das zu sehen:


Nun wache ich jeden Morgen in gewohnter Umgebung auf und es kommt zum Tagesbeginn ein klitzekleiner Funken Wehmut auf. Der Blick aus dem Fenster bestätigt: ich bin am Zürichsee.


Immerhin ... da ist sogar eine Palme!

Anstatt im warmen Pazifik mit Schildkröten und Delfinen zu Schwimmen ziehe ich meine Bahnen im viel zu stark geheizten Hallenbad Adliswil unter Meeressäugern ähnelnden Badegästen. Immerhin gibt's da im Moment viel Platz und meist eine Bahn für mich ganz alleine.

Anstatt auf dem Queen K Highway in die Lavafelder hinauszufahren in Richtung Hawi kurve ich im Zugerland umher und klettere in Richtung Rotenthurm. Immerhin meint es der Altweibersommer gut mit mir und ich komme auch ein wenig ins Schwitzen.

Anstatt dem Alii Drive entlang zu Laufen und ab und an von einem Pro oder überholt zu werden cruise ich dem Seeuferweg entlang und muss (gestern tatsächlich so passiert) eine Mutter mit Säugling im Buggy ziehen lassen. Immerhin kann ich schon wieder gut 60 Minuten Laufen!

Anstatt im Lava Java einen feinen Kona-Espresso zu geniessen lasse ich mir einen aus der Nespresso-Maschine. Immerhin habe ich zwei Stangen Kona Edition zurückbehalten eben für einen solchen Notfall.

So treibe ich armes Schwein also dahin und jedes Facebook-Föteli ist wie ein Messerstich für mein gebeuteltes Ego. Ich sollte ganz einfach nicht hier sein sondern dort!!

Wirklich?

OK, wer jubelt schon, wenn er mit Kona-Quali dennoch zu hause bleiben muss? Muss? Na ja, ich hätte ja trotzdem hinreisen können und den Marathon gehend zurücklegen können. Wirklich? Um die halbe Welt reisen im Wissen, das es im besten Fall für einen Finish reicht und im schlechtesten für ein erneutes Aufbrechen der Verletzung? Keine Option.

So bin ich also hier in der Schweiz. Ich freunde mich nach Saison-Ende im geliebten Käpfnach wieder dem dem Hallenbad an. So locker und kontrolliert bin ich seit langem nicht mehr geschwommen. Es läuft richtig rund.

Jetzt, wo sich die Blätter langsam verfärben und sich die Natur zur Ruhe legt, geniesse ich die Ausfahrten auf dem Velo erst recht. Der Herbst war schon immer eine meiner Lieblingsjahreszeiten. Die Landschaften sind spektakulär, das Licht oft atemberaubend. Was für ein schönes Land ist die Schweiz doch.

Und dann geniesse ich jeden Meter per pedes und sauge die frische Luft tief in meine Lungen. Langsam kommt das schöne Laufgefühl wieder zurück. Aber weil ich eben so piano piano unterwegs bin halte ich auch immer einmal wieder inne und sehe Dinge, die mir vorher noch nie aufgefallen sind. Oder wie cool ist denn das?


Es ist so viel besser im Moment zu leben und das zu geniessen, was greifbar ist - quasi auf dem Silbertablett vor einem liegt - als dem Unmöglichen nachzutrauern.

Ich freue mich für alle meine Freunde und Bekannten, die sicher auf Big Island angekommen sind und nun den Mythos Hawaii hautnah erleben können. Und ich drücke ihnen und allen Teilnehmern am Samstag beide Daumen, dass sie Mike Reillys Worte "You are an Ironman" hören werden! Gebt alles ... und geniesst!

Keine Kommentare: