Sonntag, 17. Juni 2012

IronMadness Switzerland: Der Konjunktiv II

Es gibt wohl kaum eine Sportart, bei der die Athleten so oft den Konjunktiv bemühen - ausser vielleicht beim Fussball. Der Konjunktiv II wird auch Irrealis genannt. Er wird verwendet, um unmögliche und unwahrscheinliche Bedingungen oder Bedingungsfolgen zu benennen oder um auszudrücken, dass unter mehreren an sich möglichen Folgen infolge menschlicher Entscheidungen durch Ermessensgebrauch eine bestimmte Folge ausscheiden werde. Durch die Formulierung von Bedingungen und ihren Folgen lassen sich auch Vorstellungen und Wünsche, die wahrscheinlich nicht eintreten werden oder unmöglich sind, oder die Zweifel des Sprechers an bestimmten Sachverhalten zum Ausdruck bringen. Eingeleitet wird er oft mit "wenn" oder "falls".

Damit sind wir mitten im heutige Thema. "Wenn ich ein Vöglein wäre und zwei Flügelein hätte, flöge ich zu dir." Oder: "Wenn ich vielleicht etwas weniger schnell Rad gefahren wäre und etwas Kraft gespart hätte, wäre ich beim Marathon nicht eingebrochen".

Wenn, wenn, wenn ... oft nicht mehr als Ratlosigkeit, meist aber Ausreden, und auch Erklärungsversuche, wieso man es verkackt hat. Dabei ist es doch so einfach: "Ich bin zu schnell Rad gefahren und darum hat es mich beim Marathon hingestellt." Basta.

Erstaunlicherweise gibt es auch zwei Sorten von Athleten: Diejenigen, welche den Konjunktiv II immer wieder bemühen und andere, welche aus ihren Fehlern lernen, daraus ihre Schlüsse ziehen und es beim nächsten Mal besser machen.

In meiner Vorbereitung auf den IM Switzerland hat die Möglichkeitsform keinen Platz. Heute hätte ich sagen können: "Wenn ich von den gestrigen 5 1/2 Stunden Velo (mit Ibergeregg und den letzten 60 Minuten Vollgas) und dem Koppellauf in der Hitze nicht so müde gewesen wäre (die Oberschenkelkrämpfe lassen wir jetzt einmal aussen vor), hätte ich heute problemlos zwei Laufeinheiten und eine Schwimmeinheit machen können."

Ok, es dauerte bis gegen 10 Uhr bis ich mir den finalen Ruck geben konnte und die schwere Strecke über den Horgenberg und die Tableten unter die Füsse nahm. Nach knapp zwei Stunden zeigte mein Garmin neue Streckenbestzeit an. Im Käpfnach musste ich mich zuerst mit einem Espresso wachrütteln, damit ich die 2 km schwimmen konnte. Und dann die Kuchenbestechung, damit die finalen 40 Minuten Laufen mit 10 x 90 Sekunden hart bei nur 30 Sekunden Trabpause möglich waren. Done deal - kein Konjunktiv notwendig.

Wenn ich am 15. Juli in Zürich loslege, werde ich wissen, dass ich alles menschenmögliche unternommen habe, um dem Rennen meinen Stempel aufzudrücken. Wenn es klappt, implodiert der Konjunktiv, wenn nicht, gibt es keine Ausreden. Ich werde etwas wagen, denn ich will herausfinden, wo meine Leistungsfähigkeit wirklich liegt. Basta.

Aus aktuellem Anlass noch zwei Konjunktiv-Müsterchen.

Lance Armstrong. Er wurde von der WTC von allen Ironman-Rennen ausgeschlossen. Obwohl ich ihn am liebsten auf den Mond schiessen würde, damit er den Triathlon nicht auch noch versaut, hätte ich mir nun doch gewünscht, dass er die Hawaii-Quali versuchen kann. Denn nun muss sich der Sieger 2012 wohl immer wieder sagen lassen, dass es ganz anders hätte herauskommen können, wäre Lance am Start gewesen.
Michael Raelert. Seit heute ist er ein Ironman - Platz 2 in Regensburg hinter Dirk Bockel. Tolles Debut - aber ganz ehrlich, hätte man von ihm nicht erwartet, dass er gewinnt? Und überhaupt, sollte er den Marathon nicht schneller laufen können als Mike Schifferle. Was wäre gewesen, wenn er schon im letzten Jahr hätte am Ironman starten können? Alles wurschtegal, der Typ ist clever und wird die richtigen Schlüsse ziehen. Aber holdrioh, auf der Ironmanstrecke kocht auch er vorläufig nur mit Wasser.



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