Montag, 9. Dezember 2013

Ironman Western Australia: Yesssss, oh nooooooo, yessssss!


Sonntag Morgen, 3 Uhr. Nach einer etwas unruhigen Nacht stehen ich auf, bevor der Wecker mich unsanft daran erinnert, was heute für ein Tag ist. Was dann folgt, ist genau nach Drehbuch und bestens bewährt: Rolling mit Trigger Point, schwarzer Kaffee mit Kokosöl, eine Hand voll Mandeln, eine halbe Banane. Linsen rein, Einlaufen, Zähne putzen, Race Dress anziehen und überprüfen, ob alles im Street Wear Bag ist. Und schon geht's gemütlich zu Fuss in Richtung Wechselzone.

Schuhe anklippen, Pumpen, Bidons in die Halter, Garmin starten, Toi Toi besuchen. Und schon stehe ich am Strand und freue mich über das spiegelblanke Wasser. Rein in den Neo, einschwimmen, Street Wear Bag abgeben und ab an die Startlinie. Unglaublich, nur noch fünf Minuten und dann gibt es kein Taktieren, kein Pläne schmieden und kein Betteln um Geld für das Charity-Projekt mehr. Dann gibt es nur noch eins: Angreifen!


Päng und los geht es. Zivilisiert und ohne Drängeln, Prügeln und Kratzen schwimmen wir los. Und weil die Australier ja quasi im Wasser aufwachsen geht's auch gleich mit einem Höllentempo zur Sache. Schon nach rund 500m muss ich feststellen, dass vor mich doch recht viel Wasser aufgewirbelt wird und ich frage mich, ob ich wohl hier nichts zu melden habe.

Aber ich schwimme einfach drauflos, so schnell, wie es eben geht und nach etwas mehr als 56 Minuten bin ich schon wieder an Land. Der Sprint in die Wechselzone zeigt mir: die Beine sind hervorragend. Also rein in den Helm und ab auf die 180 Kilometer.

Im Gegensatz zu den Vortagen herrscht nur ganz wenig Wind. Und so geht's auch gleich mächtig zur Sache. Im Gegensatz zu meine beiden Kona-Anläufen im Sommer bin ich voll mit dabei, werde nur ganz selten überholt und kann prächtig mitfahren. So entschliesse ich mich schon sehr früh dazu, etwas zu wagen.

Die erste Runde vergeht wie im Fluge und ich bin klar auf sub5-Kurs. Dann bei Kilometer 90 eine kleine Krise und gleichzeitig laufend mehr Wind. So wird es früher hart, als ich dachte, aber die Beine sind ganz einfach exzellent. Nach zwei Runden liegen die sub5 immer noch drin und so entschliesse ich mich, die letzte Runde ganz einfach so hart wie es geht zu fahren.

Das gelingt ausgezeichnet. Aber zwischenzeitlich hat der Wind ganz mächtig aufgefrischt. Obwohl ich auf den letzten 30 Kilometern noch viele Athleten überholen kann und mich bärenstark fühle, macht mir der Wind einen Strich durch die Rechnung. Teilweise sind nur 30 km/h möglich und so komme ich anstatt unter 5 Stunden mit 1.35 Minuten "Verspätung" in die Wechselzone.

6:05 Stunden zeigt die Rennuhr, als ich auf die Marathonstrecke gehe. Es läuft sich leicht und flüssig und ich muss mich einbremsen, um nicht schneller als im 5er-Schnitt zu laufen. Inzwischen macht uns der Wind aber auch auf der Laufstrecke gehörig zu schaffen. Und dann ist der 11. Kilometer auf einmal 13 Sekunden zu langsam. Also versuche ich sofort zu korrigieren, aber was ich auch probiere, ich werde nicht schneller.

Nach 15 Kilometer dann ein deja-vu: Die Blase. Ich habe beinahen einen Blasenkrampf und muss auf's Toi-Toi (ja, ich kann immer noch nicht in die Hose pinkeln)! Und es läuft und läuft und läuft .... 1 1/2 Minuten lang. Dafür bin ich nachher sehr erleichtert und kann wieder flüssig laufen. Ich muss aber akzeptieren, dass es wohl bei diesem Tempo bleiben würde.

Ganz neu für mich, keine Wand bei Kilometer 26. Also Gas geben, denke ich mir, denn ich glaube mich in Führung und weiss, dass der Platzhirsch John Hill (20 x Hawaii!!!) ein super Läufer ist. Ihn zu schlagen ist das zweite grosse Ziel.

So kämpfe ich mich über die Marathonstrecke und will bei Kilometer 40 noch einmal alles herausholen, als innert 10 Sekunden Beine, Arme, Finger, Zehen und Ohrläppchen (natürlich nicht :-)) krampfen. Ich will aber nicht gehen, muss jedoch zwei Gänge zurückschalten und sehr langsam rennen. Und ohne dass ich es merke schleicht sich eben dieser John Hill an mir vorbei.

Im Zieleinlauf sehen ich es dann hell auf dunkel: 9:46 ... yessssssss. Der Speaker kündigt mich an - als 2. der AK 55 .... oh nooooooo. John wartet auf mich, gratuliert mir und sagt, er hätte noch nie so verbissen um einen Sieg kämpfen müssen. Na bravo! Und er meint, ich solle mir keine Sorgen machen wegen dem Hawaii-Slot, denn es gäbe wohl sicher zwei.

Meine Freude über meinen ersten sub10 Ironman überwiegt aber die Enttäuschung daüber, das Rennen nicht gewonnen zu haben und somit den Slot auf sicher zu wissen. Eine Nacht halte ich das auch noch aus.

Im Ziel empfängt mich auch Pirmin Christen, der mit 9:17 eine hammer Zeit hinlegt, trotzdem "nur" 7. wird und seine Hawaii-Ambitionen begraben muss. Er trägt es mit Fassung und freut sich über die Zeit und das tolle Erlebnis. Aus diesem Holz sollte alle Ironman geschnitzt sein.

Wir verabreden uns zum Abendessen und genehmigen uns u.a. eine schöne Flasche Siraz aus der Gilbert Winery, mit dem sinnigen Namen 3 Devils!!! Natürlich mit dabei Gabi, Primins Freundin und Suporterin an der Strecke.

Heute Morgen dann erst einmal tüchtig frühstücken und dann ab in die Wechselzone, wo um 10 Uhr die Resultate ausgehängt werden und die Slots pro AK bekannt gegeben werden. Die Spannung wird unerträglich. Und dann ist es soweit:


2 Slots .... yesssssssssss ....


..... und alle Dämme brechen. 180 Puls und unbeschreibliche Emotionen. Hawaii hat mich wieder eingeladen und zu sich gerufen. Was für eine Freude!

So, ihr treuen Blog-Leser und spendablen Unterstützer unseres 33-26 ride for charity:water. Das Warte hat auch für euch ein Ende und die 7 glücklichen Gewinner des Abendessens bei mir in Horgen stehen fest. Hier sind sie (Reihenfolge willkürlich):

Caroline Wettstein
Andrea Wedel
Finn Borg
Mike Leoni
Doris Tobler
Georges Bürgi
Bernhard Böhmer

Herzliche Gratulation, danke, dass ihr an mich geglaubt habt und unser Projekt mit unterstützt!! Jetzt müsst ihr euch einfach bis im April 14 gedulden!

Und selbstverständlich geht mein Dank auch an alle anderen Teilnehmer ... mit eurer Hilfe können wir sauberes Wasser für Kinder und arme Familien sicherstellen und so Leben retten! Grossartig!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ganz grosses Kino! Riesen-Gratulation Gilbert! Mike

Anonym hat gesagt…

Félicitations Gil, du bist grosse Klasse!!
René de la France