Montag, 3. September 2012

Beissen, lutschen, lecken.

Bis dato war der Triathlon Locarno so etwas wie der offizielle Saisonschluss in der Schweiz. Nicht in diesem Jahr, findet in zwei Wochen doch noch der Triathlon Murten statt. Ah ja, und dann sind da ja noch die Las Vegas- und Hawaii-Fahrer, für welche die Saison noch etwas länger dauert.

Aber nichts desto trotz kam am Samstag und Sonntag rund um das Lido aufgeräumte Saison-Schlussstimmung auf. Nachdem sich der Samstag wettermässig noch von der garstigen Seite mit nur 9° Lufttemperatur und Regen zeigte, klarte es tags darauf wunderbar auf und ein Mix aus Sonne und Wolken bescherte uns perfekte Rennbedingungen. Immer unter der Voraussetzung, dass 16° Wassertemperatur zu den bevorzugten Bedingungen gehören - ich mags genau so, wenn im Neopren geschwommen werden darf.

Zum ersten Mal wurde die Medium Distance über die klassische IM 70.3-Distanz ausgetragen - im Gegensatz zu den Vorjahren, wo jeweils 2,4 km geschwommen, 80 km Rad gefahren und 20 km gelaufen wurden. Eh wurscht, Hauptsache es macht Spass.

Besonders angenehm sind in Locarno auch die Startzeiten. Anstatt schon morgens um 7 Uhr geht es für die Halbeisenmänner und -frauen erst um 8.45 Uhr los. Dennoch schien ich an diesem Sonntag Morgen einfach nicht so recht in die Gänge zu kommen, wie diese heimlich gemachte Aufnahme zweifellos dokumentiert:
Nein, Ironshark plant keine Bissattacke gegen Urs Müller!
Als der Startschuss fiel, war ich allerdings hellwach. Der Landstart in Locarno ist etwas problematisch, rennt man doch auf unebenem Geröll ins flache Wasser und muss froh sein, wenn die Füsse ganz bleiben. Wie auch immer, es ging sehr zügig los und schon nach der ersten Boje formte sich eine schnelle zweite Gruppe, in der ich Unterschlupf fand und so bis zum Schwimmausstieg von Wasserschatten profitieren konnte. Ich staunte nicht schlecht, als ich neben Urs Müller aus dem Wasser kam (nein, ich habe auch nicht in seine Waden gebissen).

In den 28:29 Min. war dann auch noch die rund 300m lange Laufstrecke in die Wechselzone mit inbegriffen - eine schnelle Zeit also.

Auf dem Rad fand ich schnell meine Beine und einen guten Rhythmus. Die drei, vier Veloraketen, welche mich auf den ersten 15 km passierten konnte ich getrost ignorieren - unter ihnen war der eine oder andere Kandidat auf den Tagessieg. Dann kam eine erste Gruppe mit ca. 8 Fahrern. Alle etwas kurzsichtig, wie mir schien, denn den Abstand zum Vordermann hätte man gut und gerne verdoppeln müssen, um im legalen Bereich zu sein. Die waren mir einfach zu schnell und ich wollte auf keinen Fall wieder einen Drafting-Penalty erhalten - also liess ich sie ziehen.
So fuhr ich bis Kilometer 60 alleine. Nach den Wendepunkten sah ich aber, dass hinter mir drei sehr grosse Gruppen kamen. Alle mit derselben Anatomie: Vorne drei Tempomacher mit ordentlichem Abstand, dann der Pulk in bester Tour-de-France-Manier und hinten wieder drei, die mit sauberem Abstand legal Körner sparten. Ich überlegte mir, ob ich Dampf herausnehmen und auf die erste Gruppe warten sollte. Nicht mein Ding - aber nach 60 km war es soweit und ich wurde eingeholt. So setzte ich mich an den Schluss und hielt sauber meinen Abstand.

Vor mir spielte sich ein unwürdiges Spektakel ab. Während rund 20 km fuhr ein Marshall immer wieder neben den Pulk und trillerte wie wild mit seiner Pfeife. Ich konnte nicht erkennen, ob er Karten austeilte oder nicht. Wie auch immer, nichts änderte sich daran, dass die Damen und Herren unbeirrt Rad and Rad fuhren. Wer so über 90 km kommt, der hat immer noch Hammerbeine für die Laufstrecke.

Meine letzten 30 km waren dann das reinste Vergnügen. Ich hing hinten an der Gruppe und auch mit über 10 Metern Abstand war der Aufwand ein Bruchteil dessen, was ich auf der ersten 60 km leisten musste. Und der Schiedsrichter hat mich nicht einmal streng angeschaut! Es geht also doch, man muss einfach Geduld zeigen. Und nach vorne zu fahren um Tempo zu machen bringt nichts, weil bei 45 - 50 km/h keiner weg kommt.

In den Laufschuhen gings ab wie die Feuerwehr - da waren sie wieder, meine Laufbeine. Alles stimmte und ich konnte auch so richtig beissen. Ich war richtig flott unterwegs und stellte bei der zweiten von vier Zielpassagen fest, dass ich die Runde eben in 22 Minuten gelaufen war. Das war mehr als flott, das war richtig schnell. Und so gab ich bis zur Ziellinie alles, was noch drin steckte.

Mit 4:26:01 Std. stellte ich eine neue persönliche Bestzeit für einen 70.3 auf und die 1:29:15 Std. waren noch einmal besser als in St. Pölten. Ok, kann ja sein, dass da beim Messen der Laufstrecke nicht ganz 21.1 km zusammen kommen. Aber egal, wichtig war das Gefühl, alles aus mir herausholen zu können und auf hohem Niveau durchgelaufen zu sein.

Dass mich Jürg Mallepell in der Endabrechnung um gut 4 Minuten hinter sich gelassen hatte, konnte ich angesichts eines fast perfekten Wettkampfs leicht verkraften. Und sowieso, von einem Vize-Weltmeister geschlagen zu werden ist keine Schande.



So endete ein toller Wettkampf mit vielen Glückshormonen. Und der Erkenntnis, dass Triathlon zu so etwas ähnlichem wie Gelato essen geworden ist. Bekanntlich gibt es ja drei unterschiedliche Arten, ein Gelato zu geniessen. Die einen beissen, andere lutschen und wieder andere lecken. Echte Triathleten respektieren die Regeln und beissen. Zumindest der Wille dazu sollte in jedem Schlummern. Dann gibt es diejenigen, die immer einmal wieder am Hinterrad des Vordermannes lutschen - wenn kein Marshall da ist, etwas mehr als weniger. Ganz nach dem Motto: Gelegenheit macht Diebe. Leider gibt es aber immer mehr, die weder die Regeln kennen, noch Anstand besitzen und sich durch die "Leckt mich doch am Arsch"-Attitüde hervortun. Tja, auch der Triathlon ist halt im Endeffekt nur ein Spiegelbild der heutigen Gesellschaft.

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