Dienstag, 18. September 2012

Der Mut zur Langsamkeit.

Seit ich im November 2008 angefangen habe, nach dem Prinzip der umgekehrten Periodisierung zu trainieren, bestimmen zwei Faktoren meinen Trainingsalltag: Kontinuität und Geduld. So auch in meiner Vorbereitung auf Kona.

Wenn ich meine heutigen Trainingspläne mit denjenigen vor fast vier Jahren vergleiche, hat sich daran nur wenig verändert. Einzelne Einheiten sind immer noch dieselben, andere wurden weiterentwickelt, nur wenige sind ganz neu. Wie das? Nun, diejenigen, welche neu sind, wären vor vier Jahren noch nicht möglich gewesen. Zu gross wäre die Verletzungs- und Übertrainingsgefahr gewesen. Damals schon hatte ich lange Gespräche mit Coach Sergio Borges, weil ich immer härter und mehr trainieren wollte. Er holte mich auf den Boden zurück und meinte jeweils nur trocken: You are not ready yet!

Wie recht er doch hatte. Der Beweis dafür waren nicht nur gute Resultate, sondern vor allem der Umstand, dass ich praktisch Verletzungsfrei blieb und mit ganz wenigen Ruhetagen äusserst konstant trainieren konnte. Einzig eine Hamstring-Zerrung machte mir 2010 zu schaffen, welche ich mir im Krafttraining zugezogen hatte - notabene, weil ich nach einem Wettkampf mit zu viel Gewicht arbeiten wollte.

So konnte sich mein Körper im Laufe der Zeit an die Belastungen gewöhnen und mein ganzer Bewegungsapparat wurde stärker und widerstandsfähiger. Und damit auch bereit für eine langsame Anpassung der Belastungen.

Heute zahlt sich diese Kontinuität voll und ganz aus. Auch wenn ich ab und an doch wieder etwas ungeduldig wurde, blieb ich von schwerwiegenden Konsequenzen verschont. Einzig der eine oder andere Fleck im Resultatheft zeugt davon ... ich bekam die Quittung für meine Ungeduld immer sehr schnell geliefert.

Crowie - hatte einen Platten auf der Trainingsfahrt -
Ironshark hatte zwei platte Oberschenkel im Rennen!
Im Vorfeld von Kona 2009 glaubte ich, es sei eine gute Idee, schon frühzeitig auf die Insel zu reisen. Ich wollte möglichem schlechten Wetter in der Schweiz entfliehen und den letzten Trainingsblock in der Sonne Hawaiis absolvieren. Gesagt, getan, hingeflogen, sofort trainiert und nach 10 Tagen war ich Brei. Ich hatte Jetlag und Akklimatisation einfach ignoriert und frisch, fröhlich losgeballert. Höhepunkt war eine Veloeinheit über 150 km mit Craig Alexander und Luke McKenzie!

Am Renntag war mein Rennen schon ruiniert. Keine Beine, kein gar nichts - ausser Spesen nichts gewesen: DNF!

Heuer ist alles anders. Trainiert wird hier, akklimatisiert während rund 10 Tagen auf Hawaii ... mit lächerlich kleinem Trainingsaufwand. Erprobt in Cozumel - auch hier also nichts Neues im Westen.

Und was hat das alles mit dem Mut zur Langsamkeit zu tun? Viel! Denn in den letzten vier Jahren sind meine langen Einheiten von Jahr zu Jahr langsamer geworden. Die schnellen dafür immer schneller. Langsam heisst auch, weniger Kilometer, denn was zählt ist die Zeit, die ich unterwegs war. Und in der Vorbereitung auf Kona 2012 habe ich noch einmal etwas Tempo herausgenommen.

Der Lohn: ich fühle mich prächtig. Von Tag zu Tag erhole ich mich (meist) vollständig vom Vortag - wenn nicht, gibts einen Ruhetag oder einen Rekotag. Aber das kommt selten vor. Am Abend freue ich mich auf den nächsten Tag. Ich schlafe gut und viel. Kontinuität ist Trumpf - Geduld begleitet sie.

Kona wird ein Rennen wie jedes andere. Hart. Ok, vielleicht anders hart, aber hart. Ich weiss, was auf mich zukommt. Und ich weiss, was notwendig ist, um zu reüssieren. Ich weiss, was ich kann und das ist mehr als genug, um zu siegen .... über mich selbst! Warum soll ich mich also verrückt machen und mir im letzten Moment einbilden, ich könnte noch etwas stärker werden? Das Gegenteil würde eintreten.

Plan your race and race your plan ... in meinem Fall heisst das: finishline!

Und wenn alles gut geht und ich ein gutes Rennen haben werde, dann gibt es vielleicht einen Plan für mehr ... den ich mit Kontinuität und Geduld verfolgen werde. Zeit ist ja noch viel vorhanden! Und langsamer kann ich auch noch werden!

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