Seit ich denken kann, war Sport für mich
Chrampf. Mein ganzes bisheriges Leben lang habe ich immer und überall versucht, allen zu beweisen, dass ich es kann - oder sogar besser kann als allen anderen. Egal ob im Job oder im Sport.
Nun, im Job habe ich es geschafft. Ich glaube, ich darf ohne Übertreibung oder
Selbstbeweihräucherung sagen, dass ich einer der Besten auf meinem Gebiet war. Aber im Sport bin ich immer einen Schritt hinterher gerannt. Im Schwimmen war ich zwar gut, aber an die Spitze reichte es nicht. Als
Radrennfahrer habe ich mich bei den Amateuren vom
Gruppetto ins vordere Feld hochgearbeitet, ohne den Sprung an die Spitze zu schaffen. Und im
Triathlon konnte ich bisher zwar einige schöne Erfolge feiern, aber den Schritt vom Kronprinzen zu den Platzhirschen ist mir bisher noch nicht gelungen.
Immer und überall habe ich versucht, mein Allerbestes zu geben. Disziplin,
Konzentration, Begeisterung .... alles habe ich mitgebracht - alleine, um eine Spur zu verbissen zu werden. Und mit der Verbissenheit kam immer auch eine gewisse Entfremdung. Immer das Ziel vor den Augen, ging zwar nie die Freude verloren, aber die
Spontaneität, die Flexibilität auch einmal etwas
Ungeplantes zu unternehmen - einfach weil es auch
ausserhalb meines engen Blickfeldes noch so viel Interessantes und Spannendes gibt.
Was das alles mit dem IM Arizona zu tun hat? Unglaublich viel!
Schon im Vorfeld und während fast der gesamten Vorbereitung auf diesen
Ironman hatte ich mir sehr viele Gedanken über meine sportliche Zukunft, ja mein Leben generell gemacht. Ich war irgendwie müde geworden, die mir selbst auferlegten, hohen Ziele gewissenhaft zu verfolgen. Nicht, dass ich die Freude und Begeisterung für den
Triathlon verloren hätte oder
trainingsfaul geworden wäre, nein, viel mehr war ich es
leid,
Podestplätzen,
Kona-Slots, Abschnittszeiten, usw. nachzujagen.
Als am Sonntag Morgen um 7.00 Uhr die Kanone losging, wusste ich, dass ich an einem Scheideweg stand. In meinem Kopf gab es keine numerisch orientierten Ziel mehr - nur noch den Wunsch nach einem perfekten Tag. Ich wollte nahe am körperliche Limit schwimmen. Ich wollte auf dem
Velo 180 km lang Freude am Rollen erleben. Und ich wollte den
Marathon aktiv laufen - will
heissen, jederzeit bestimmen, wie viel ich investieren will. Mein Ziel war: "
You are an
Ironman" von
Mike Reilly zu hören und zu wissen, dass ich an diesem Tag mein Allerbesten geleistet hatte. Ich wollte den Samen, den ich tief innen drin gepflanzt, gehegt und gepflegt hatte, zum Erblühen und die Frucht zum reifen bringen.
Das ist mir gelungen! Es ist unbeschreiblich: ich lief ins Ziel und schwankte, musste gestützt werden. Ich war noch nie so kaputt. Aber ich wusste in dieser Sekunde: Der
Chrampf ist vorbei, es lebe die Leichtigkeit! Ich durfte die Frucht ernten!
Mein Rang: 9. Irrelevant. Meine Zeit: 10:27. Irrelevant. Kein
Kona-Slot: Irrelevant. IM Arizona
Finisher zu sein und das Beste gegeben zu haben: Unbezahlbar!
Ich habe den Sport gefunden, der mir die Augen geöffnet hat. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich die wahre Bedeutung, ein
Ironman zu sein, gefunden habe. Danke IM Arizona.
Kein Angst, liebe Freunde. Das alles bedeutet nicht, dass ich meinen Blog einstelle, weil ich zukünftig keine Ziele mehr habe. Im Gegenteil. Aber die Ziele werden anders sein. Beispielsweise krampfhaft versuchen, endlich unter 3:50 zu laufen? Nein, denn das Ziel, 42,195 km lang möglichst gelöst das tolle Gefühl zu erleben,
leichtfüssig der
Finishline entgegen zu laufen, ist viel verlockender.
Ich hoffe, ich darf noch viel
Ironman erleben, bei denen ich solche Momente erleben darf.
Zum Schluss möchte ich allen von ganzem Herzen danken, die mich unterstützt haben, mit mir mitfieberten und mir in den letzten Tagen zu meiner Leistung gratuliert haben. Übermorgen ist in den USA
Thanksgiving - Erntedankfest. Wie passend!
Yes,
you did it!