Dienstag, 29. November 2011

Und dann kam der grosse Regen!

Es ist 5:25 Uhr am Morgen früh - am Tag 2 nach dem IM - hier in Cozumel. Nach einer ersten schlaflosen Nacht nach dem Rennen (wie immer!) folgte eine zweite mit nur sechs Stunden. Die Beine schmerzen immer noch und langsam macht sich diese grosse Müdigkeit im Körper breit - die Endorphine neigen sich dem Ende zu.

Nun ist es endlich Zeit, die letzten 48 Stunden noch einmal Revue passieren zu lassen. 48 Stunden, die mir so viele IMotions beschert haben, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen nie hätte vorstellen können. Aber alles der Reihe nach.

Am Renntag begann alles, wie die Vorbereitung aufgehört hatte - perfekt. Ich wachte zwei Minuten bevor der Wecker losging von alleine auf und sofort hellwach. Noch nie hatte ich vor einem Ironman sieben (!) Stunden am Stück geschlafen. Es war 3:00 Uhr und ich machte mich über mein Weissbrot mit Konfitüre und den Muffin her. Ich war die Ruhe selbst - auch noch, als sich meine Verdauung nicht ganz so entwickelte, wie ich mir das erhoffte. Nach einer Tasse Kaffee machte ich mich auf den Weg zum Bus und wir fuhren ohne gross zu Quatschen zur Wechselzone beim Schwimmstart.

Das Wetter war prächtig, obwohl der Wetterbericht schon Schauer am Morgen in Aussicht stellte. Das Meer, im Gegensatz zum Testschwimmen, glatt und einladend. Reifen pumpen, Verpflegung verstauen, Computer richten, Wettkampfoutfit anziehen und Streetwear Bag abgeben - schon gings los zum Schwimmstart. Gleich nachdem die Profis 20 Minuten vor uns starteten mussten wir ins 27,3° warme Wasser. Ganz Ironman-like wollte ich noch mein Bisi ins Meer entlassen, aber es wollte lieber bei mir bleiben. Na denn halt. Und dann, kurz vor sieben erklang das Horn und wir schwammen los wie die Teufel.

Es war unglaublich. 100% Visibility, Korallen, Fische ... einfach atemberaubend. Und ein höllisches Tempo, das mir erstaunlicherweise den Atem nicht raubte. Erst gegen Ende der 3,8 km spürte ich die Anstrengung etwas und musste ein klein wenig herausnehmen. Als ich aus dem Wasser kam wusste ich noch nicht, dass ich eben mit 54:27 Minuten eine neue persönliche Schwimmbestzeit aufgestellt hatte - und das ohne Neopren.

Der Wechsel verlief kontrolliert und schon sass ich auf dem Velo. Nach rund 2 km fand ich meine Beine und konnte schon prächtig Druck machen. Musste ich auch, denn der Wind war allgegenwärtig. Nun setzte ich meine Wettkampftaktik weiter konsequent um. Ich fuhr, was das Zeugs hielt und es fühlte sich grossartig an. Bei der ersten Passage des sehr dem Wind ausgesetzten Küstenabschnitts gelang es mir sogar, allen hinter mir einfach davon zu fahren. Erster Höhepunkte auf dem Velo war dann bei km 40, als mich Laurent Jalabert überholte und ich tatsächlich überlegte, vielleich eine Weile mit ihm mitzufahren - Scherz!!

Gegen Ende der ersten Velorunde meldete sich mein Bisi wieder. Der Druck auf den Pedalen liess etwas nach und der Rücken begann zu schmerzen. Also veruchte ich mein Glück dieses Mal auf zwei Rädern. Fehlanzeige! So blieb mir nichts anderes übrig, als ein Toi-Toi aufzusuchen. Kaum war der Übeltäter weggespühlt kamen meine Beine zurück und die Rückenschmerzen waren wie weggeblasen. Und so ratterte ich über die restlichen 120 km in der Gewissheit, ganz weit vorne zu sein und wohl meine Altersklasse anzuführen.

Nach 5:12 Stunden und einem Schnitt von über 35 km/h stieg ich vom Rad. Ich hatte gut verpflegt, viel getrunken, heftig Salztabletten konsumiert und fühlte mich sehr gut. Aber es wurde heisser und das bestätigte sich, sobald ich zu Fuss unterwegs in Wechselzelt war. Nur, es war mir auf Deutsch gesagt scheissegal, denn ich war darauf eingestellt. Auch der zweite Wechsel verlief problemlos. Allerdings: Das Redbull, welches ich mir in den Wechselbeute gesteckt hatte, sollte mir auf den ersten sechs Kilometern wenig Freude bereiten. So lange dauerte es, bis ich es weggerülpst hatte!

Ich entschied mich, ohne Garmin vollauf nach Gefühl zu laufen. Die Beine waren schwer, denn die flache Radstrecke mit viel, viel Seiten- und Gegenwind war äusserst kräfteraubend. Man konnte sich keine Meter ausruhen und musste permanent drücken. Das erste Opfer begegnete mir schon nach 1 km: Mathias Hecht taumelte vor sich hin und gab das Rennen auf.

Und es war heiss und schwül. Ich fand meine Laufrhythmus sofort, allerdings weniger dynamisch, als ich es mir vorgenommen hatte. Trotzdem versuchte ich Druck zu machen und hoffte, die Atmung würde sich verflachen - Fehlanzeige. Alle Kilometer überschüttete ich mich mit Eiswasser, aber es wollte sich keine Kühlung einstellen.

So lief ich die erste Runde über 14 km weniger schnell als erhofft, aber sehr fokussiert und versuchte, möglichst aktiv zu bleiben. Bei der Wendemarke zur 2. Runde war ich dennoch angeschlagen.

Und dann kam der grosse Regen! Innert Minuten prasselte es nieder, wie es nur in den Tropen vorkommt. Und ebenso schnell verwandelten sich ganze Strassenabschnitte in Bäche mit knöcheltiefem Wasser. Aber kaum hatte mich der Regen heruntergekühlt begann mein System wieder Leistung zu bringen. Und siehe da, ich konnte wieder zulegen und fühlte mich nicht wie ein begossener Pudel, sondern sauwohl.

Langsam begann ich mir auszumalen, als erster über die Ziellinie zu laufen. Ich antizipierte, dass ich in Führung lag und das war ein verdammt guter Gedanke. Dann, bei km 25 ein Klapps auf die Schulter und es war passierte mit meiner Führung: Jörn aus Deutschland zog an mir vorbei und ich rief ihm nach: Du gehst nach Hawaii! Er war zu schnell unterwegs und ein Konter ausgeschlossen. Also konzentrierte ich darauf, meinen Podestplatz ins Trockene zu bringen.

Die Bein schmerzten in der Zwischenzeit höllisch. Die Muskulatur fühlte sich an, wie wenn eine Million Nadeln gleichzeitig hineingesteckt werden. Als der Regen nachliess, war es sofort wieder sehr schwül - und die Bachabschnitte verlangten einem alles ab. Als ich auf die finale Laufrunde ging, war ich schon so war von kaputt. Aber ich trieb mich selbst an, denn mittlerweile sahen alle schlecht aus und viele gingen schon, anstatt zu laufen. Ich wurde auch recht wenig überholt, was der Motivation, das letzte herauszuholen, sehr förderlich war.

Auf der Zielline hatte ich in 10:16 Std. einen knappen Daylight Finish geschafft, aber ich war kurz vor dem Kollabieren. Aufgestützt auf einen Vounteer torkelte ich langsam in Richtung Sitzgelegenheiten und Massagetische. Ich habe nur Fetzen von Erinnerungen - alles um mich herum schien mir aus einer anderen Welt. Auch nach einer wohltuenden leichten Massage war ich nicht in der Lage, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn, mich zielstrebig in eine Richtung zu begeben. Ich wusste nicht, ob ich es zum Treffpunkt der Hannes-Athleten schaffen würde.

Nach einem längeren Aufenthalt in einem Toi-Toi (wie bin da bloss wieder hoch gekommen??) gings mir dann endlich besser und ich konnte mein Velo abholen. Vor allem aber war ich wieder ansprechbar. Dann traf ich Jörn und gratulierte ihm zum Sieg, aber er winkte ab und sagte, einer wäre wie von der Trantel gestochen noch an ihm vorbei. So hoffte ich, beim Blick auf ironmanlive wenigsten die 3 vor meinem Namen zu sehen.

Endlich im Hotel angekommen war dann doch die 2. Später stellte sich dann heraus, dass der Sieger erst einfach durch das dichte Netz von bits and bites durchgefallen war. Aber bei mir weckte die vorläufige Rangliste erstmals kleine Hoffnungen auf Hawaii.

To be continued!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lieber Gilbert
Ich ziehe den Hut vor deiner mega, giga, super coolen Leistung. Die Zeiten auf der Schwimm- resp. Radstrecke sind ja schon fast "weltmeisterlich"!
Du hast die Hawaii Quali mehr als verdient. Noch einmal, ich ziehe den Hut!
Ich wünsche dir jetzt schon viel Vorfreude auf Big Island. Erhole dich nun gut und geniesse deine Leistung. Du kannst sehr stolz sein.

Beste Grüsse und Aloha!
Heinz

Anonym hat gesagt…

Coach,

herzliche Gratulation, good job!
Am meisten beeindruckt hat mich Dein Sprint zur Slotverteilung, Du kannst ja doch schnell laufen ... :-)

Gruss
Roger M.