Montag, 21. Mai 2012

IM 70.3 Austria: Da legst di nieder!

Sonntag Morgen, 5.40 Uhr. Georges und ich steigen ins Taxi, das uns zur Wechselzone bringt. Er sieht gut aus, viel besser als auch schon, wenn er fast die ganze Nacht vor lauter Aufregung kein Auge zugemacht hatte. Mir gings prächtig. Gut geschlafen, wie immer um 3:20 Uhr aufgestanden, etwas gegessen (nur wenig, denn die Speicher waren ja voll) und vor allem das spezielle Geschäft problemlos erledigt, welches doch jeder Athlet so sehnsüchtig erwartet.

Nun, wir waren beide konzentriert, voller Vorfreude und sehr guten Mutes, denn wir waren ganz einfach bereit. Und bei aller Anspannung, Motivation und auch allem Ehrgeiz zum Trotz freuten wir uns beide ob des Zusammenseins. Nicht unbedingt selbstverständlich, denn wir hatte beide Grosses vor und gingen irgendwie davon aus, dass der Sieg nur über das Besiegen des anderen führen würde. Das war keine Überheblichkeit, sondern einfach eine vage Annahme.

Mich beschäftigte allerdings ein Problem. Beim einchecken am Samstag bemerkte ich, dass der Reifen auf meinem Scheibenrad Luft gelassen hatte. Und als ich sicherheitshalber noch etwas mehr abliess, war er kurz darauf platt!! So pumpte ich als Erstes meine Reifen und checkte das Hinterrad so alle 2 Minuten. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, es wäre tatsächlich ein Schleicher. Also nichts wie zum Auto, das Zipp 1080 aus dem Kofferraum und noch ein last minute Radwechsel. Schade, ich hatte mich auf das Rennen mit dem unverwechselbaren "wow-wow" gefreut. Aber Stress hatte ich deswegen nicht.

Die Zeit verging im Fluge uns schon zwängten wir und in die Neoprenanzüge. Ein letztes Mal Posieren - Nici war inzwischen auch am Schwimmstart angekommen und hielt diesen, wie viele andere Momente mit ihrer Kamera fest. Und schon waren wir im saukalten Wasser und warteten auf den Startschuss. Nicht, ohne einander noch einmal viel Glück zu wünschen.

Startschuss. Ich schwamm volle Kanne los und bei der ersten Boje war ich alleine, fühlte mich hervorragend und schwamm volle Kanne weiter. Dann, so ab 600m begann meine Schwimmbrille links Wasser einzulassen. Ganz ruhig leerte ich sie, aber es wurde nicht besser. So schnell wie noch nie war ich beim Ausstieg aus dem ersten See und sprintete über die Brücke. Brille fest andrücken. Die Beine - einfach super.

Im 2. See merkte ich, dass ich die Badekappe verlor, riss sie mir vom Kopf und schwupps war auch die Schwimmbrille weg. Ich zog sie seelenruhig wieder an und schwamm weiter - jetzt hielt sie auch wieder dicht. Zeitverlust insgesamt vielleicht 30 Sekunden - Schwamm drüber. Nach 28:57 Minuten stoppte die Zeit - ein Minute schneller als im Vorjahr!!

Der Wechsel verlief absolut problemlos und auch hier sagten meine Beine auf dem Weg vom Zelt zum Velo: Gib Gas! Auf dem Velo konnte ich sofort vollen Druck entwickeln und so ist die Geschichte vom Radabschnitt schnell erzählt: Ich gab während 90 km Vollgas, kletterte die drei Anstiege wie noch nie und hatte einen Heidenspass! Lediglich nach  ca. 70 km fingen meine Oberschenkel vorne leicht krämpfig zu werden, aber viel Trinken und Salz behoben das Problem. Gas herausnehmen kam nicht in Frage. Auch hier: Vollgas vom Angang bis zum Ende.

Dann stieg ich mit viel Vorfreude in die Laufschuhe. War heute der Tag, an dem ich endlich zeigen konnte, dass ich besser laufe als je zuvor? Er wars!! Ich lief los und setzte meine Mentalstrategie 1:1 um. Drei Gedanken begleiteten mich: Aktive Armarbeit mit hohem Turnover, Hamstring und Gluteus aktiveren, Quadrizeps entlasten. Nach ca. 2 km waren die Krampferscheinungen im Quadrizeps weg. Ich überholte Wettkämpfer um Wettkämpfer. Als mich Natascha Badman, Erika Szomor und Caroline Steffen überholten, stellte ich fest, dass sich nur sehr, sehr langsam ein Abstand auftat. Ich war also schnell unterwegs. Obwohl ich meine Garmin-Uhr trug und automatisch jeden Kilometer aufzeichnete, sah ich nie auf die Uhr. Bis 50m vor dem Ziel und da stand: 1:34:40. Bis ins Ziel wurden daraus 1:34.57 und ich hatte meine bisherige Bestzeit um mehr als 6 Minuten verbessert.

Im Ziel war ich emotional total überwältigt. Ich hatte eben das perfekte Rennen erleben dürfen. Alles, wirklich alles gegeben, jede Minute auf der Höhe meines Könnens an diesem Tag, Flow vom Start ins Ziel. Und als drei Minuten später Georges über die Ziellinie lief, wusste ich: Das war der Sieg - das Tüpfelchen auf dem i - oder wie die Österreicher zu sagen pflegen: Da legst die nieder!

Nach gut 4:50 Stunden lagen Georges und ich uns in den Armen und zollten einander unseren gegenseitigen Respekt. Ich sags euch, der Bürgi ist ein grossartiger Sportsman: Bescheiden im Erfolg, anerkennend und fair in der Niederlage. Aber was heisst schon Niederlage - er war 2. und geht nach Las Vegas and die WM, wo er mich Sicherheit ein tolles Ergebnis erzielen wird.

Wer sich nun fragt, wie kann es sein, dass der Ironshark auf einmal aus dem Nichts seine bisherigen Laufzeiten pulverisiert, dem sei folgendes gesagt: Ausdauersport betreiben heisst auch, Ausdauer in der Verbesserung seiner Defizite zu haben. Glaubt mir, es steckt viel Arbeit dahinter, manchmal auch Zweifel, aber immer Freude. Wer wissen will, wie ich es angestellt habe, darf mich gerne danach fragen.

Ob er wohl wieder kommt, der perfekte Tag. Ich weiss es nicht. Aber ich bin dankbar für dieses Erlebnis. Und weils so schön war, werde ich es wieder probieren. Wer weiss, vielleicht schon am 3. Juni!

Drei Minuten und doch nichts zwischen uns!

1 Kommentar:

Mike Leoni hat gesagt…

Hi Gilbert und Georges, das händ ihr guet gmacht und de Ossis zeigt wo Bartli de Moscht holt. Sackstarch!
gruess, mike