Dienstag, 13. Oktober 2009

Dying before DNF?

"Dying before DNF" stand auf dem T-Shirt einer Triathleten im Lava Java am Morgen danach. Ich sass dort beim Frühstück, etwas traurig über meine Aufgabe am Tag zuvor. Lieber sterben als aufgeben? Das geht mir entschieden zu weit, dachte ich mir. Wer sich im Triathlon darüber definieren muss, dass er lieber tot umfällt, als die Zeichen seines Körpers zu deuten und auch einmal aufzugeben, der tickt nicht ganz richtig.

Was war also geschehen, am Race Day. Nun, in der Nacht vor dem Rennen schlief ich so gut wie noch nie vor einem so grossen Anlass. Um 3.00 Uhr war Tagwache und Frühstück. Raus aus den Federn, Müsli mit Banane und Nüssen essen, wie immer. Ich war immer noch sehr ruhig, auch gegen 5.00 Uhr, als wir uns in Richtung Wechselzone aufmachten. Kaum auf der Strasse nahm uns schon ein Kollege aus der AG 50 mit dem Auto mit. Bodymarking, ein letzter Kuss für Andrea und ab zum Velo. Einrichten, Pumpen, das eine oder andere Gespräch mit Bekannten und Fremden. Es wurde hell und so langsam kam die Spannung und das Adrenalin. Nach einem befreienden Toi-Toi-Besuch begann ich mich auf den Schwimmstart vorzubereiten.

Um 6.45 Uhr fiel der Startschuss für die Profis - da war ich schon im Wasser, denn ich wollte nicht nur weit vorne, sondern auch weit genug auf der linken Seite starten, um das Gerangel zur ersten Boje zu vermeiden. Kaum waren die Profis weg ging das Gedränge um die besten Plätze los. Ich entschied mich, quasi aus der 2. Reihe zu starten. Noch dauerte es rund 15 Minuten, bis wir auf die Reise geschickt wurden. Jetzt war auch ich voll im Rennfieber und konnte es kaum erwarten, bis endlich der Startschuss viel.



Was auf dem Film und im Fernsehen so faszinierend aussieht, ist in Tat und Wahrheit schlimmer als die Schlacht bei Morgarten. Das Gekeile ist unglaublich. Ich war immer noch zu weit rechts am Pier und so mitten in der Meute, die keilförmig auf die erste Boje zu schwamm. Es dauerte gut 4-500m bis ich zum ersten Mal keinen Körperkontakt mit der Meute hatte. Es wurde getreten, gezogen, gekratzt was das Zeug hielt. Dann, nach ca. 1 km entspannte sich die Situation zusehends und ich konnte einen guten Rhythmus schwimmen. Nach den Wendebojen fand ich eine Gruppe,, in der ich locker mitschwimmen konnte und so viele Körner sparen konnte. Nach 1:03 Std. stieg ich am Pier aus dem Wasser, rannte mit meinem Bike-Sack ins Wechselzelt und weiter zum Velo. Die Beine fühlten sich sehr gut an.

Auf dem Velo ging es erst einmal ein Stücke die Palani Road hinauf und dann dem Kuakini Highway entlang auf den Queen K-Highway, wieder die Palani hinunter und leicht ansteigend Kuakini hinauf. Zu meiner grossen Verwunderung versagten meine Beine den Dienst. Was sich erst wie Superbeine anfühlte, entpuppte sich als lahme Schinken. Auf den ersten 50 km ging fast gar nichts. Kein Druck auf den Pedalen, es war ein Trauerspiel. Ich musste meine ganze mentale Kraft mobilisieren, um nicht schon umzukehren. Dann wurde es langsam besser, aber nur sehr langsam. 20 km vor dem Wendepunkt in Hawi bliess uns der berüchtigte Mumuku-Wind entgegen. Dann, nach 95 km und gut 3 Stunden auf dem Velo passierte das, wofür ich die Inselgeister beschworen hatte: Meine Beine erwarchten zu neuem Leben. Mit fast 60 Sachen ging es wieder in Richtung Kona und nun holte ich Fahrer um Fahrer ein und liess sie alle stehen. Doch der Rückenwind war nur von kurzer Dauer. Schon ab ca. km 120 bliess uns wieder ein starker Gegenwind entgegen. Nur, das war mir jetzt wirklich schiessegal, denn meine Beine drückten das einfach weg. Nach 170 km war ich einen Moment lang unachtsam und schon hatte ich eine rote Karte für Drafting kassiert. Ich konnte also die T2 vier Minuten länger "geniessen". Ich war bestens verpflegt, hatte genügend getrunken, immer wieder den Körper mit Wasser abgekühlt und auch regelmässig Salztabletten eingenommen. Trotz Temperaturen zwischen 29 und 40° (laut Polar 35° im Durchschnitt) fühlte ich mich sehr gut und stellte mich mental auf den Marathon ein.

Nachdem ich meine vier Minuten im Penalty-Zelt abgesessen hatte (in Prominenter Gesellschaft von Rainer Humbolt, Triathlon-Legende aus Deutschland) gings auf die Laufstrecke. Nach wenigen hundert Metern feuerte mich Andrea an - ein Küsschenstopp lag allemal drin. Aber es zeigte sich bereits auf den ersten Metern, dass es schwer werden würde. Die Luft stand, es war feucht wie in einer Waschküche und mein rechter Fuss fühlte sich nicht sehr vielversprechend an. Das Sprunggelenk und die Ferse schmerzten schnell so stark, wie normalerweise auf den letzten Metern eines Halb- oder Ironmans. Es wurde schlimmer und bald war mir klar, dass ich zwar wohl finishen könnte, aber nur unter grossen Schmerzen und schlimmer noch, mit der Aussicht auf eine sehr lange Regenerationszeit. Sollte ich das Risiko eingehen, mein ursprünglich grosses Saisonziel Clearwater aufs Spiel zu setzen? Ich entschied mich dagegen. Nach nur rund 4 km brach ich das Abenteuer ab, früh genug, um Schaden zu vermeiden. Zu Fuss ging ich zurück nach Kona, wo mich Andrea natürlich noch nicht erwartete, aber schnell realisierte, dass das Abenteuer Kona 2009 ein vorzeitiges Ende genommen hatte.

Heute geht es mir wieder sehr gut. Die Enttäuschung hat Zuversicht auf Clearwater Platz gemacht. Mein Körper scheint mir zu sagen: Du hast richtig gehandelt. Mein Kopf sagt: Komm zurück und finish what you started. Und meine Kollegen hier unterstützen mich grossartig. Bleibt zu hoffen, dass ich dieses Abenteuer wieder erleben darf und dann auch ein Finisher sein werde.

Im Vorfeld erzählten mir viele Hawaii-Teilnehmer, wie hart es hier ist. Nichts kommt auch nur annähernd an die Strapazen heran, die ich hier erlebt habe - auch ohne ganzen Marathon und Energy Lab. Es lässt sich ganz einfach nicht beschreiben, was hier abgeht.

Jeder einzelne Finisher ist ein wirklicher Held. Darum Gratulation an alle, die ihr persönliches Abenteuer bravourös gemeistert haben. Besonders erwähnen möchte ich drei Finisher aus dem tollen Schweizer Team:
  • Ursula Kenel Schmid - Im letzten Jahr am Ironman Switzerland "verplämperte" sie die Quali in der Wechselzone. Jetzt ist sie World Champion AG 45! Fantastisch.
  • Mäni Hefti - Zum 8. Mal in Kona am Start. Bei seinem ersten Ironman Switzerland wurde er 6., ging nicht an die Slot-Verteilung und erfuhr einen Tag später, dass er im Roll-down einen Platz ergattert hätte. Er wird mit jedem Jahr besser und gestern liess er sich als 3. in der AG 60 feiern! Way to go, Mäni!
  • Simone Benz - Vor rund drei Wochen im Training von einem Auto angefahren und mit Knie- und Handverletzungen hierher geflogen. Ein Start war bis kurz vorher ungewiss. Trotzdem wurde sie Vize-Weltmeisterin AG 25! What a tough woman!
Vielen, vielen Dank für die tolle Unterstützung aus der Schweiz -und die ehrliche Anteilnahme im Moment des sportlichen Scheiterns. Ihr seid toll! Und keine Angst, der Blog geht weiter - Clearwater steht an. Und schliesslich ist das (Triathleten-)Leben ja wie eine Reise auf einer breiten Strasse, gepflastert mit Missions and Possibilities. Über meine Reisen werde ich weiterhin berichten.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hallo fisch
ich kann dir nachfühlen und bin in gedanken oft bei dir. wünsche dir gute besserung für deinen fuss und hoffe, du bist in clearwater fit. dort wirds ja nach hawai ein honigschlecken, oder? sicher! du machst das!
günti

Georges Bürgi hat gesagt…

interesting report, aber, schon wieder eine Winschatten Strafe, Gili, Gili, you're becoming a regular visitor to the penalty box ! Anyway nun heisst der Fokus Clearwater. Du hast ja den Vorteil, dass Du schon mit der ganzen Infrastruktur vertraut bist. Also, erhol Dich gut und obwohl nicht so spektakulaer wie Kona, ist es auch in Clearwater ganz passabel auf dem Podest. We will keep our finger's crossed. Georges

IRONNONNO hat gesagt…

Aloha aus dem verdammt kalten Zurich.

Jetzt muss auch noch der Ironnonno seinen Senf zu deiner Situation geben! Erstmals ein grosses Dankeschön für deinen genialen Blog, immer witzig und informativ, hat er uns ermöglicht hautnah dabei zu sein.

Zu deiner Situation erlaub ich mir, im Kontrast zu den anderen, bestimmt lieb gemeinten, Blog-Leserbriefen, etwas kritisch zu sein. Aufgeben in Hawaii ist keine Option! Man kann den Marathon sehr ehrenvoll marschieren, es gab ja auch schon Leute die ins Ziel gekrochen sind wie du ja weisst. Die Zeitlimite hättest du locker geschafft. Sorry ich bin ein bisschen böse aber ich glaube du denkst im innerst gleich.

Und jetzt wünsch ich dir eine geile Zeit in San Diego und dann einen bombastischen Saisonabschluss in Clearwater.

IRONNONNO